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Ryse-Begeleiter durch die römische Antike – Son of Rome

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Als ich bei der Pressekonferenz von Microsoft im Juni 2013 die exklusive Vorstellung von Ryse – Son of Rome sah, war ich umgehend gefesselt. Während mich Latein als meine erste Fremdsprache in der Zeit an einem humanistischem Gymnasium niemals wirklich interessiert hatte, hinterließen die antiken Berichte, die man all die Jahre im Unterricht übersetzte, einen unglaublich tiefen Eindruck. Ich war seitdem immer fasziniert vom römischen Imperium, der Mythologie sowie der architektonischen und kulturellen Ausbreitung, deren Einflüsse selbst heute noch feststellbar sind. Das zuvor genannte Spiel aus dem Hause Crytek hatte entscheidenden Anteil daran, dass meine Wahl als ehemaliger PlayStation 2 Besitzer auf die Xbox One gefallen ist.

Ich habe die Xbox One nicht als Day-One-Edition gekauft und auch Ryse trotz meiner Begeisterung und Vorfreude nicht sofort dazu erworben. Erst über ein halbes Jahr später kaufte ich mir vor Kurzem das Spiel als gebrauchte Disk für kleineres Geld und habe exakt einen Monat lang kleine Episoden benötigt, um es komplett durchzuspielen. Und dabei ist die Kampagne eigentlich in fünf bis acht Stunden locker zu schaffen. Muss man sich so sehr durch das Spiel quälen? Oder ist es unterschätzt? Oder verdient Ryse harsche Kritik? Das werde ich euch nachfolgend (ohne das Spiel zu spoilern) schildern, also weiterlesen.

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Fakten

Zuerst einmal die nüchternen Fakten: Ryse – Son of Rome erschien am 22. November 2013 exklusiv zum Launch der Xbox One, mittlerweile wurde  auch eine Version für den PC angekündigt. Es handelt sich um ein Action-Adventure mit einem Story-Modus sowie einen Koop-Multiplayer. Mit einer Dateigröße von 36,96 GB ist das Spiel im Xbox-Store zum Preis von 69,99 € erhältlich. Daneben war Ryse auch noch auf BlueRay als Standard und Day One Edition erhältlich. Der Silberling ist mittlerweile für 39,99 € zu bekommen. In der mittlerweile nur noch gebraucht erhältlichen Day One Edition war die Multiplayer-Map Ruins im Gladiatoren-Modus sowie das Schwert der Legionäre  als besondere Waffe enthalten.

Darüber hinaus erscheint am 31. Oktober 2014 die Ryse Legendary Edition, die neben dem Spiel alle vier Add-On’s, drei Solo Maps
und ein Bonusoutfit enthält, zum Preis von 49,99 €. Innerhalb des Storymodus lassen sich Hinrichtungen, Fähigkeitsverbesserungen und Boosterpakete sowohl durch In-App-Käufe mit echtem Geld erstehen oder durch das Verdienen von Ehre erspielen. Darüber hinaus kann man zahlreiche Inhalte für den Multiplayer kaufen, dazu zählen Skins für den Gladiator im Arena-Modus oder neue Multiplayer-Maps für das Colosseum.

Hinein in die Kampagne

Kommen wir zur Kampagne. Wir spielen den römischen Soldaten Marius Titus zur Zeit des römischen Kaisers Nero, den wir sofort zu Spielbeginn kennenlernen werden. Zunächst wählt man beim Start der neuen Kampagne eine der drei verfügbaren von insgesamt vier Schwierigkeitsstufen Rekrut, Soldat, Zenturio oder Legendär. Wobei Letztere erst durch einmaliges Durchspielen der Kampagne in einer der drei übrigen Grade freigespielt werden muss. Das Spiel beginnt mit impressiven Videosequenzen. Der füllige, am goldenen Lorbeerkranz erkennbare Kaiser läuft ängstlich stolpernd durch einen einstürzenden, immer größer wirkenden und beeindruckenderen Palast. Der Lichteinfall und in der Luft schwebende Partikel sowie der erste Schwenk in eine Nahaufnahme auf das Gesicht sind unglaublich faszinierend. Diese Sekunden der Grafikeindrücke verwöhnen die Augen. Schon beschleicht mich die Angst, dass das ja so nicht bleiben kann. Der Kaiser verlässt das Gebäude und ruft nach Hilfe während sich vor meinen Augen eine Weitsicht über die Stadt entfaltet, eine rasante Kamerafahrt über eine Brücke führt mich durch kämpfende Barbaren und Legionäre vorbei an brennenden Katapultgeschossen bis vor einen Legionär … es verschlägt mir den Atem! Ich bin absolut beeindruckt von der Grafikpracht. Schmutz und Blut spritzt durch die Gegend und perlt an der imaginären Kameralinse ab. Ästhetische Brutalität.

Spiel-Steuerung im römischen Imperium

Die Perspektive ändert sich, die Kamera fährt schräg hinter den Legionär, ich schaue ihm über die rechte Schulter, ich kann die Steuerung übernehmen. Ich kann keinen Unterschied bei der Videoqualität feststellen. Ich lerne über eine Einblendung, dass mich der Druck auf den grünen A-Button eine Abwehrreaktion mit dem Schild ausführen lässt, die den Schlag meines ersten Gegners abschirmt. Als Nächstes verwende ich mit einem Druck auf die gelbe Y-Taste meinen Schild als Angriffswaffe um meinen Gegner wegzustossen, worauf er benommen schwankt. Es geht weiter mit dem Schwertangriff durch einen Druck auf das blaue X an meinem Kontroller. Der Schlag erzeugt einen weißen, schwebenden Totenkopf über dem Barbaren und ich darf über das Steuerkreuz die Belohnung zum Gesundheitsbonus auswählen, falls ich meinen Gegner anschließend durch eine Hinrichtung besiege. Um dieses brutale Event einzuleiten fordert mich das Spiel auf, den rechten Trigger zu drücken.

Nun beginnt meine erste Hinrichtung. Die Zeit verlangsamt sich in Zeitlupe, die Umgebung wird unscharf, mein Gegner leuchtet gelb auf und ich muss die entsprechende Taste drücken bevor das Leuchten beendet ist, wuchtig schlägt mein Legionär unter lautem Schrei der Kraftaufbringung mit dem Schild zu. Schon färbt sich der Barbar in leichtes Blau, mein Tastendruck erfolgt umgehend, die Schwertklinge saust mit voller Wucht in ihr Ziel und die Hinrichtung ist vollbracht. Mir wird die Qualität meiner Reaktionen angezeigt und Marius regeneriert.

Bildschirmfoto 2014-09-19 um 20.50.37

Ziele und Belohnungen

Im weiteren Verlauf des Spiels erlerne ich neben dem Gesundheitsbonus weitere Belohnungen in Form von Fokus, Erfahrungspunkten oder Schadenszuwachs und ich lerne mit dem roten B-Button abzurollen um vor starken Angriffen von besonderen Gegnern oder aus Gruppenumzinglungen zu entkommen. Bei den beiden Angriffen mit Schwert und Schild kann die Stärke durch längeres Drücken erhöht werden. Außerdem darf ich später den römische Wurfspieß namens Pilum allein oder in ganzen Legionärsgruppen verwenden oder in der Schildkrötenformation meine Kameraden steuern. Ich darf manchmal weitentfernte Bogenschützen befehligen oder stationäre Skorpione, bogenförmige stationäre Bolzenschussgeräte, abfeuern. Letzteres kommt mal gegen Gruppen, mal gegen mit Öl gefüllte Dolia (antike Lagerungsamphoren) als Sprengfalle gegen Barbarenhorden oder gar gegen Kriegselefanten zum Einsatz.

Und tatsächlich ist es das spielerisch auch schon. Spielerisch geht es wirklich um nichts anderes als repetitive Abfolgen von Tastendrücken im richtigen Timing. Mit jeder Hinrichtung verbessert sich meine Reaktion. Und meine Belohnungen wachsen kontinuierlich. Ich erringe mehr und mehr Erfahrung und Ehre. Damit vergrößere ich allmählich in den folgenden Spielstunden Größe und Anzahl meiner Gesundheits- und Fokusbalken. Der Fokus versetzt meinen rot gewandeten Legionär in eine Art Rausch der Raserei, während die Gegner um mich herum in Slow-Motion zu Opferlämmern werden. Einzig gegen Bossgegner ist die Fokusattacke völlig wirkungslos. Und je mehr Ruhm und Ehre ich erreiche, desto mehr Vielfalt an brutalen Hinrichtungsabfolgen schalte ich frei. Mir wird nicht langweilig dabei immer grausamere Verstümmelungen an meinen Gegnern zu betrachten.

Die Handlung und die Personen

Die erzählte Geschichte handelt vom nahezu unstillbaren Rachedurst, der unseren Charakter antreibt. Sie ist sehr plakativ gezeichnet. Es wird sich nicht die Mühe gegeben Emotionen zu anderen Personen feingliedrig aufzubauen. Es wird als selbstverständlich vorausgesetzt, dass es Marius bis ins Mark in blanken Hass und unbarmherzige Rachegelüste versetzt, wenn er ansehen muss, dass sein Vater und seine Schwester von Barbaren getötet wird. Unser General Vitallion bewahrt uns als Centurion davor, immer nur blindlings unseren Emotionen zu folgen und bringt uns immer wieder dazu strategische Angriffe durchzuführen. Er wird trotz seiner militärischen Anerkennung und seinem Verständnis für die Taten von Marius kein Vaterersatz zum Liebhaben für mich als Spieler.

Genauso flackert Mitleid für meine besiegten Feinde König Oswald und seine Tochter Boudica nur rudimentär auf, als diese in Gefangenschaft von den unsympathischen Söhnen Neros, Commodus und Basillius, unmenschlich und verabscheuungswürdig behandelt werden. Der nordische Barabarenführer Glott wird nur kurz durch eine kleine Videosequenz als besonders starker Gegner eingeführt. Zu guter Letzt greifen auch noch zwei göttliche Figuren gelegentlich völlig ohne Hintergrundinformationen in die relativ flache Geschichte ein.

Es gibt etwa zwei Handvoll Gegnertypen. Der Barbar mit einem Schwert sieht immer gleich aus und unterscheidet sich in der Optik von dem mit zwei Schwertern. Es gibt einen Dicken mit Schild und Schwert, einen sehr Großen mit einer Axt. Manchmal trifft man auf einen Bogenschützen. Später tritt man gegen Prätorianer an. Aber jeder der Gegner hat immer zahllose eineiige Geschwister, die je nach Bedarf zu Angreifergruppen zusammengewürfelt werden. Auch jetzt noch denke ich, dass sich Crytek einen unglaublich perfiden Witz damit erlaubt hat, dass Marius im Verlauf des Spiels gegen einen Bossgegner antreten muss, der mehrere seiner Untergegebenen in der selben Montur antreten lässt, um uns zu verwirren. Wiederholungen in Reinkultur.

Die Umgebung und die Welt

Aber nicht alles besteht aus Wiederholungen. Marius metzelt sich an britischen Stränden entlang, durch Sümpfe und Wälder, bestreitet Schlachten in York und in Rom, in Palästen und auf Aquädukten oder sogar Gladiatorenkämpfe im weitläufigen Colosseum. Die Schauplätze sind mal weitläufig, mal verwinkelt, mal ist es Morgen, Tag oder Nacht. Das Wetter ist von Sonnenstrahlen erleuchtet, ein andermal zieht dichter, britischer Nebel über die Wiesen, es regnet in Strömen, dann zieht wieder leichter Morgennebel in der Morgensonne auf. Und jede Einstellung sieht einfach toll aus.

Genau das ist wirklich das Momentum des Spiels. Diese unbeschreibliche Optik. Man will einfach jederzeit alles genießen. Die Nahansichten, die großen Weiten, die Rüstungen, besonders die Gesichter von Marius und Vitallion – alles sieht unfassbar gut aus. Licht und Schatten wirkt absolut überragend. Jeder fliegende Glutfunke, jeder Wassertropfen, jedes Staubkorn, jede Blutfontäne ist im Detail ein Augenschmaus. Das Spiel läuft in 912p, statt der technisch möglichen 1080p, ich kann die fehlenden 108 Linien nicht erkennen, ich vermisse nichts.

Zusammenfassung der Kampagne

Okay, fassen wir den Kampagnenteil zusammen: Schildangriff, Schwertangriff, starker Schildangriff, starker Schwertangriff, kontern, abrollen, Pfeilen entkommen, Elefanten ausweichen, im Fokus schnetzeln oder Hinrichtungen durchtimen, das war es. Die Abfolge einer begonnenen Hinrichtung wird immer grafisch korrekt durchgeführt. Egal ob man pünktlich drückt oder den Zeitpunkt verpasst oder eben gar nichts macht. Entsprechend verdienen wir viel oder wenig unserer Belohnungen. Haushalten wir nicht mit dem Gesundheitsbonus, scheitert Marius und die Sequenz beginnt von vorn. Die Story ist anspruchslos, aber durchaus nachvollziehbar. Die Charaktere bleiben hinter ihrem Potential zurück. Die Grafik ist absolut imposant, der Sound macht Freude.

Es ist so, als würde ich in einem traumhaften Lamborghini mit 50 km/h durch die Stadt fahren – ich fühle, die Karre kann deutlich mehr, aber ich kann und darf in der Stadt eh nicht schneller fahren. Und ich muss feststellen, dass ich nicht auf die Autobahn darf. Würde ich mich deswegen nicht freuen mal eine Runde im Lambo durch die Stadt zu cruisen? Doch! Ich finde es geil, es macht mir Spaß und es ist alles andere als frustrierend. Habe ich mich nochmal in den Wagen gesetzt um noch mehr Funktionen oder Hintergrundinformationen freizuhalten? Ja, verdammt!

Multiplayer

Und der Multiplayer? Man spielt mit einem weiteren Gladiator in wunderschönen dauernd wechselnden Arenen des Colosseums gegen die selben bekannten Gegner. Und es macht exakt den selben Spaß. Aber ich finde es nicht so befriedigend, weil ich persönlich in diesem Modus tatsächlich deutlich lieber mit einem Freund in der Xbox Party spielen und kommunizieren möchte. Es lässt sich durchaus unterhaltsam mit Fremden kooperieren, für mich ist es aber nicht so fesselnd und motivierend. So habe ich bislang auch noch nur die allerwenigsten Verbesserungen in Form von Rüstungselementen, Waffen oder Schilden freigeschaltet. Viel mehr muss man eigentlich nicht dazu loswerden.

Fazit

Weder die bis zu acht Stunden lange Kampagne noch die Story selbst ist mir den Vollpreis von 69,99 € wert gewesen. Aber ich bin unglaublich froh, dass ich das Spiel nachgeholt habe. Es ist ein optischer Augenschmaus, die Geschichte ist alles andere als nervig, der Koop ist unterhaltsam. Doch auch wenn die Inszenierung absolut gelungen ist, ist der Wiederspielwert nicht außerordentlich hoch. Öfter als ein zweites Durchspielen werde ich wohl nicht hinbekommen. Im Multiplayer gibt es Skins gegen Mikrotransaktionen, die ich nicht brauche und mehr Maps zu kaufen. Alles andere kann durch reine Investition von Zeit und Beharrlichkeit frei erspielt werden.

Wer eine Xbox One besitzt sollte sich das Spiel wirklich mal anschauen, wenn man es zum kleinen Preis bekommt. Und optimalerweise kauft man sich das Spiel gleich zusammen mit einem Freund und startet dann auch nebenbei gemeinsam in die Koop-Missionen.


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